Tuulia Ortner ist im Standard-Gastkommentar gar nicht der Meinung, dass solche Fragen oder auch die zu Hobbies usw. Platz im Jobinterview haben, denn sie würden den Unternehmen sogar schaden. Wie kommt´s?
Befürworter „privater Fragen“ führen ins Treffen, dass es um emotionale Eindrücke und die Frage der Sympathie gehe. Ganz vergessen wird freilich die fehlende Aussagekraft und die geringe Trefferquote dieser Vorgangsweise. Den Unternehmen kann dies nur dann egal sein, wenn
- ausreichend geeignete Bewerber da sind,
- keine messbaren Anforderungen für die ausgeschriebene Position definierbar sind,
- Fairness als Qualitätsmerkmal keine Relevanz zugeschrieben wird,
- wenn das Unternehmen nicht unbedingt einen positiven Eindruck bei den Bewerbern erzeugen will.
Die Bewerbungslandschaft ändert sich, die „Bauchgefühlmethode“ wird immer erfolgloser, weil die Suche nach denen, die den Suchern am ähnlichsten und somit sympathischsten sind, immer unergiebiger wird. Die Bewerber werden immer heterogener, kommen woanders her, sehen anders aus, haben andere kulturelle Hintergründe, und vieles mehr. Da kann man mit der Sympathiemethode nicht sehr viel ausrichten. Es bleibt nur, sich auf die relevanten Kriterien zu konzentrieren und die am besten passenden Mitarbeiter einzustellen, auch wenn sie anders sind als man selber.
Im Juli 2016 hat man sich in Deutschland auf eine Überarbeitung der Qualitätsnorm DIN 33430 – „Anforderungen an berufsbezogene Eignungsdiagnostik“ geeinigt, mit bemerkenswerten Vorgaben:
- Verhaltensbeobachter müssen qualifiziert sein und Kenntnisse zu Interviewklassifikationen, Kulturabhängigkeit, Stereotypen, Fragetechniken, Selbstdarstellungsstrategien usw. vorweisen.
- Eine Anforderungsanalyse mit dem Ergebnis einer systematischen Zusammenstellung von jenen Eignungsmerkmalen, die nachweislich zur beruflichen Leistung beitragen.
Somit dürfen nur Verfahren und Fragen verwendet werden, die nachweislich einen Bezug zu den Anforderungen und zum beruflichen Erfolg haben.
Ich bin überzeugt davon, dass dieser Schritt viel zur Professionalisierung und zur Qualitätssicherung beitragen wird, wenn er denn auch irgendwann in Österreich ankommt, was erfahrungsgemäß immer etwas dauert. Womit ich mir aber schwertue, ist die vollständige Negierung des Bedürfnisses, den, mit dem man zusammenarbeiten wird, kennenzulernen und auch eine Sympathieebene aufzubauen. Auch Personalberater sind ja geübt im Matching dieser Sympathieebene.
Mein Praxisideal sieht dann wohl so aus: DIN 33430 als Basis und ergänzend dazu der persönliche Eindruck und somit der Sympathiecheck. Personalberater müssen aber, wenn sie mit diesem Kriterium arbeiten, dieses auch beherrschen und dürfen diese Infos nur als Ergänzungen ins Treffen führen. Ein richtiger Umgang bedeutet beispielsweise auch, dass bewusst ein „anderer“ Charakter für das Team ausgewählt wird, somit eine systemische Sichtweise miteinfließt. Das wird noch interessant werden!
Hier geht´s zum Originalartikel im Karrierestandard vom 26. Juni 2017!
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